Weibliche Darmgesundheit im Fokus: Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack im Interview

5 min von Prof. Dr. med. Julia Seiderer-Nack

Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizinerin, sagt ganz klar: Frauen haben anders Darm. Welche Faktoren dort eine genaue Rolle spielen und welche Tipps Sie für Frauen hat besprechen wir in diesem Interview.

Inhalt

Einleitung

„Sie haben einfach Stress.“ 

„Ernähren Sie sich mal gesünder, dann wird das schon.“ 

Solche Antworten hören viele Frauen, wenn sie mit immer wiederkehrenden Beschwerden wie Blähbauch, Verstopfung oder Reizdarm zum Arzt gehen. Doch was, wenn hinter diesen Symptomen weit mehr steckt als nur Stress oder eine ungesunde Ernährung? 

Dr. Julia Seiderer-Nack, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizinerin, sagt ganz klar: Frauen haben anders Darm. In ihrem gleichnamigen Buch beleuchtet sie die oft übersehenen Besonderheiten in der weiblichen Verdauung, beeinflusst durch Hormone, Zyklus, Lebensstil und Lebensphasen. 

Im Interview erklärt sie, warum Frauen häufiger unter Verdauungsproblemen leiden, wieso das Thema „Darm“ noch immer ein Tabu ist und was Frauen konkret tun können, um ihre Darmgesundheit ganzheitlich zu stärken.

Interview

Lara Grüttner: Erstmal danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen! Ich habe Ihr Buch „Frauen haben anders Darm“ wirklich mit Freude gelesen. Spannend, tiefgründig, dabei aber so angenehm leicht und verständlich geschrieben. Als studierte Ökotrophologin fand ich es besonders schön, wie gut Sie wissenschaftliche Inhalte rüberbringen, ohne dass es trocken wird. Es ist ein Buch, das nicht nur informiert, sondern auch Mut macht und ich freue mich sehr, heute mit Ihnen tiefer in das Thema einzutauchen

Dr. Julia Seiderer-Nack: Vielen Dank, es freut mich, dass Sie neugierig geworden sind, es ist ja auch ein sehr spannendes Thema das viele Frauen betrifft.

Lara Grüttner: Viele Frauen hören bei Bauchbeschwerden: „Das ist nur Stress.“ Warum greift diese Erklärung oft viel zu kurz, besonders bei weiblichen Patientinnen?

Dr. Julia Seiderer-Nack: Weil es eben nicht berücksichtigt, wie komplex das Zusammenspiel von Immunsystem, Darmbarriere, Mikrobiom, Hormonen und Nervensystem wirklich ist. Wir wissen heute, dass psychische Faktoren und Stress über die Darm-Hirn-Achse Einfluss auf unseren Darm haben können, aber genauso wissen wir auch, dass die Vorgänge im Darm auch Einfluss auf unser Denken und Fühlen im Gehirn haben können. Die Beziehung zwischen Gehirn und Darm ist wechselseitig und sehr intensiv, zudem beeinflusst von vielen äußeren Faktoren wie Ernährung, Hormonlage oder Stoffwechselaktivität der Darmbakterien. Daher greift die Sichtweise „Das ist nur Stress“ oftmals viel zu kurz.

Lara Grüttner: Warum dauert es Ihrer Erfahrung nach oft so lange, bis Frauen mit Verdauungsbeschwerden wirklich ernst genommen und richtig behandelt werden?

Dr. Julia Seiderer-Nack: Generell ist die Idee einer geschlechterspezifischen Medizin (auch Gendermedizin genannt) in der Medizin noch etwas relativ Neues. Wir haben erst in den letzten Jahren durch Forschungsdaten mehr Informationen dazu, dass Frauen und Männer eben deutliche Unterschiede in Sachen Immunregulation, Mikrobiom, Schmerzregulation oder Stoffwechsel zeigen oder eben auch Erkrankungen ganz unterschiedliche Symptome zeigen können. 

In Sachen Verdauungsbeschwerden spielen diese Erkenntnisse in der Praxis noch kaum eine Rolle: Wenn wir durch eine Magen-Darmspiegelung und Laboruntersuchungen nichts Auffälliges entdecken, stellen wir schnell die Diagnose Reizdarm von der übrigens vor allem Frauen betroffen sind. Dabei übersehen wir aber oft den Einfluss von Hormonen, Unterschiede im Immun- und Nervensystem oder auch anatomische Besonderheiten bei Frauen oder die häufige Ko-Inzidenz von gynäkologischen Erkrankungen wie der Endometriose oder PCOS. Stattdessen wird wie bei vielen funktionellen Erkrankungen der Reizdarm schnell durch Stress oder psychische Belastung erklärt und viele Frauen fühlen sich damit eben nicht Ernst genommen.

Lara Grüttner:Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl: Wir übersehen da etwas Grundlegendes beim Thema Frau und Verdauung?

Dr. Julia Seiderer-Nack: In der Praxis sehen wir täglich, dass die Beschwerdesymptomatik bei Frauen eben oft anders ist bzw. auch unter dem Einfluss von Hormonen (Zyklus, Schwangerschaft, Wechseljahre) deutlich verändert sein kann. Und wir sehen eben auch viel Patientinnen, die zeitgleich die Diagnose Endometriose oder PCOS haben und unter Darmbeschwerden leiden oder eben auch deutlich mehr Frauen mit Autoimmunerkrankungen und Nahrungsmittelintoleranzen oder Histaminintoleranz. Dass das nicht alles Einbildung ist, sondern auch in der Forschung deutliche Unterschiede in Sachen Immunsystem, Mikrobiom, Schmerzempfinden oder Motilität des Darms bekannt sind, zeigt uns, dass wir hier neu denken sollten.

Lara Grüttner: Viele Frauen berichten von Beschwerden während PMS, Schwangerschaft oder Wechseljahren, wie spielt der Darm da mit rein?

Dr. Julia Seiderer-Nack: Die weiblichen Sexualhormone wie Östrogen oder Progesteron wirken nicht nur an der Gebärmutter, sondern auch am Darm und seinem Nervensystem und können so die Transportgeschwindigkeit des Darms, aber auch das Schmerzempfinden oder die Histaminfreisetzung beeinflussen. So bewirkt z.B. der Progsteronanstieg in der Schwangerschaft, dass der Darm langsamer wird und Verstopfung ist ein häufiges Problem werdender Mütter. 

Aber auch im Zyklusverlauf können die hormonellen Veränderungen sich in Form von Darmbeschwerden zeigen z.B. durch Völlegefühl und Blähungen in der zweiten Zyklushälfte oder PMS. Was viele nicht wissen: das Darmmikrobiom von Frauen hat eine andere Zusammensetzung als bei Männern und hat durch seine Enzymaktivität auch Einfluss auf den Östrogenspiegel einer Frau. 

Es besteht hier also ein sehr komplexes Zusammenspiel zwischen Hormonhaushalt und Darm. In den Wechseljahren beispielsweise verändert sich das Darmmikrobiom wieder und wird „männlicher“. Und das könnte auch ein Grund sein, warum viele Frauen in dieser Phase über mehr Darmbeschwerden berichten.

Lara Grüttner: Was empfehlen Sie Frauen konkret für einen darmfreundlichen Start in den Tag? Vielleicht haben Sie ja Ihre Top 3 Tipps.

Dr. Julia Seiderer-Nack: Der Darm freut sich über Ballaststoffe und Polyphenole, z.B. in Form von Müsli, Porridge, Vollkornbrot und beispielsweise Heidelbeeren. Auch sind Lebensmittel, die natürliche Probiotika also wertvolle Bakterien wie z.B. Laktobazillen enthalten ein guter Start, z.B. in Form von Naturjoghurt oder Kefir. Last but not least braucht unser Darm auch ausreichend Flüssigkeit, um gut arbeiten und den Nahrungsbrei transportieren zu können.

Lara Grüttner: Sie gehen im Buch auch auf Mikronährstoffe und Darm-Milieu ein. Welche Rolle spielen dabei Ballaststoffe, aber auch essentielle Nährstoffe wie Magnesium, Polyphenole oder B-Vitamine. Vor allem für Frauen in Umbruchphasen wie PMS oder den Wechseljahren?

Dr. Julia-Seiderer-Nack: Ballaststoffe sind der entscheidende Faktor für die Ernährung der Darmbakterien. Diese können aus diesen an sich unverdaulichen Nahrungsbestandteilen wertvolle kurzkettige Fettsäuren wie z.B. Butyrat (ein Salz der Buttersäure bilden). Diese Fettsäuren sind nicht nur wichtig für die Versorgung der Darmschleimhaut, sondern haben eine sehr stark immunregulierende Wirkung, die sie im gesamten Körper entfalten können und uns z.B. gegen Entzündungsreaktionen schützen können.

Ohne ausreichend Ballaststoffe ist also nicht nur die Verdauung träge, sondern auch unsere Stoffwechsel- und Immunregulation aus dem Gleichgewicht. Mit etwa 30g Ballaststoffen pro Tag in Form von Vollkornprodukten und Gemüse sind wir da auf einem guten Weg. Auch spielen Spurenelemente, Vitamine und Polyphenole eine wichtige und vielseitige Rolle z.B. durch ihren Effekt auf die Darmmuskulatur, das Mikrobiom oder auch die Darm-Hirn-Achse. Gerade in hormonellen Umbruchphasen besteht bei Frauen hier oft ein höherer Bedarf.

Lara Grüttner: Auch Omega-3-Fettsäuren tauchen in Ihrem Buch immer wieder auf. Welche Rolle spielen sie aus Ihrer Sicht für den Darm, besonders in Zusammenhang mit Entzündungen und hormonellen Veränderungen?

Dr. Julia-Seiderer-Nack: Omega-3-Fettsäuren spielen eine große Rolle im Rahmen einer anti-entzündlichen Lebensweise die eben auch den Darm betrifft. Omega-3-Fettsäuren können das Wachstum nützlicher Bakterien fördern und die Darmbarriere stärken. Studien zeigen, dass sie die Vielfalt der Darmbakterien erhöhen und die Produktion von Metaboliten wie kurzkettigen Fettsäuren positiv beeinflussen können. Auch spielen sie eine wichtige Rolle bei der Hormonregulation im Körper und können helfen, ein hormonelles Gleichgewicht wiederherzustellen und sind daher insbesondere auch in Phasen des hormonellen Umbruchs (Wechseljahre) von Bedeutung.

Lara Grüttner: Ihr Buch trägt eine klare Botschaft: Frauen dürfen ihre Beschwerden ernst nehmen. Was wäre Ihr persönlicher Appell an unsere Leserinnen?

Dr. Julia Seiderer-Nack: Mir sind zwei Punkte ganz wichtig: Wir brauchen einen neuen Blick auf das Zusammenspiel von Hormonen, Mikrobiom und Darm und damit eben auch eine frauenspezifische Medizin, die Darmbeschwerden bei Frauen nicht einfach als stressbedingt in die Kategorie Reizdarm ablegt. Mir ist aber auch wichtig, dass Frauen seriös informiert werden und sich nicht durch die tausend Empfehlungen zum Thema Ernährung in den sozialen Medien verrückt machen lassen, denn hier entstehen viel Unsicherheit und Ängste, die nicht zu einem besseren Bauchgefühl beitragen.

Empfehlung

Wer Lust hat, das Thema weiter zu vertiefen, findet in ihrem Buch „Frauen haben anders Darm“ viele spannende Hintergründe und praktische Tipps. Und wer gleich etwas Gutes für sich tun möchte: Ein ballaststoffreiches Frühstück oder hochwertige Omega-3-Öle sind kleine Alltagshelfer, die Großes bewirken können.

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